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Montag 18.03.2024

 

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Programm

Die Sammlung - PICASSO UND DIE DRUCKGRAFIK

DRUCKGRAFIK

DER WEG ZUR GENIALITÄT – PICASSO UND DIE DRUCKGRAFIK

Pablo Picasso (1881-1973) gilt als einer der genialsten Künstler der Moderne, für viele ist er der Inbegriff von Schöpferkraft und Genialität schlechthin. Er hinterließ ein gigantisches Werk an Gemälden, Skulpturen, Zeichnungen und Druckgrafiken. Sein grafisches Œuvre ist das umfangreichste, das ein Künstler im 20. Jahrhundert geschaffen hat. Bei Künstlerkollegen und schöpferisch tätigen Menschen galt und gilt Picasso unangefochten als größter Zeichner seiner Epoche. Schon der Künstlerkollege Wassily Kandinsky stellt fest: „Matisse die Farbe – Picasso die Zeichnung.“ Auch der Modeschöpfer Karl Lagerfeld hat beispielsweise in einem Interview Picasso als den in seinen Augen bedeutendsten Zeichner des vergangenen Jahrhunderts beschrieben.

Picasso ist 18 Jahre alt, als er seine erste Radierung schafft. Er berücksichtigt bei diesem Erstlingswerk mit der Darstellung eines spanischen Picador noch nicht, dass druckbedingt eine Seitenumkehrung der Darstellung erfolgt. So zeigt die Radierung den Stierkämpfer mit der Lanze in der Linken. Statt das Werk nochmals zu komponieren, nennt er es einfach Der Linkshänder (El Zurdo). Bis ins hohe Alter widmet sich Picasso der Druckgrafik in den verschiedensten Techniken. So entstehen bis 1972, also ein Jahr vor seinem Tod, noch Grafiken.

DAS KUNSTMUSEUM PABLO PICASSO MÜNSTER VERFÜGT ÜBER DIE WELTWEIT GRÖSSTE SAMMLUNG DER LITHOGRAFIEN PABLO PICASSOS. ZU SEINEN MEHRERE TAUSEND WERKE UMFASSENDEN BESTÄNDEN ZÄHLEN ABER AUCH BEDEUTENDE WERKKONVOLUTE IN ALLEN ANDEREN GRAFISCHEN TECHNIKEN, DIE PICASSO KÜNSTLERISCH AUSLOTETE.

Nur die Druckgrafik bietet dem Künstler die Möglichkeit, im Werkprozess sogenannte Zustandsdrucke zu schaffen. Hierbei prüft er die Komposition und verändert dann gegebenenfalls die Bildanlage. Picasso geht in der Regel nicht mit einer fertigen Bildidee ans Werk, sondern konkretisiert diese erst im Schaffensprozess. Angesichts seines prozessualen Bilddenkens boten ihm die druckgrafischen Techniken besonders gute Rahmenbedingungen für sein Schaffen. Picassos berühmte Stierfolge aus dem Winter 1946 belegt dies besonders eindrucksvoll. Von einem einzigen Lithostein gedruckt, ändert der Künstler im Rahmen von insgesamt elf Zustandsdrucken grundlegend die Komposition. Aus einem naturalistisch durchgebildeten Jungstier wird der Stier in einer Linie, der nunmehr nur noch wie eine grafische Chiffre für den Stier anmutet.

DIE GRAFISCHEN TECHNIKEN

In der Druckgrafik unterscheidet man generell zwischen Hochdruck, Flachdruck und Tiefdruckverfahren. Bei einem Hochdruckverfahren tragen die erhabenen Bildpartien auf dem Druckträger die Darstellung. Der Holzschnitt und der Linolschnitt fallen beispielsweise in diese Kategorie. Beim Flachdruckverfahren liegen alle Bildpartien auf einer Ebene. Bei der Lithografie (von lithos gr. = Stein) handelt es sich um ein solches Verfahren. Beim Tiefdruck sind die in den Druckträger gefurchten oder geritzten Bildpartien Träger der Darstellung. Die Radierung gehört zum Beispiel dieser Kategorie an.

SUITE VOLLARD

DIE 1930ER JAHRE – DIE SUITE VOLLARD DER KÜNSTLER HINTER DER MASKE

In den dreißiger Jahren schafft Picasso eine hundert Grafiken umfassende Folge, die nach dem auftraggebenden Kunsthändler Suite Vollard benannt wurde. Ambroise Vollard (1868-1939) war einer der profiliertesten Galeristen in Paris. Er vertrat so prominente Künstler wie Cézanne, Renoir und Picasso. Bereits 1901 hatte Vollard Werke des jungen Picasso in Paris ausgestellt. Der Spanier hingegen würdigte seinen Kunsthändler 1910 durch ein kubistisches Porträt. Bereits 1913 hatte Vollard editorisches Geschick bewiesen, indem er Picasso eine Folge von achtzehn Druckplatten abkaufte, die die Thematik der Akrobaten und des Zirkusvolkes umkreisten. Diese Serie ist als Gauklersuite bekannt geworden.

Als Vollard und Picasso im Jahr 1930 überein kommen, wieder im Hinblick auf eine bedeutende Grafikfolge zusammen zu arbeiten, ist Picasso bereits ein äußerst erfolgreicher und wohlhabender Künstler. Durch den Kauf des Schlosses Boisgeloup in der Normandie verfügt er erstmals über die Möglichkeit eines geräumigen Ateliers für seine skulpturale Arbeit. In den Grafiken der Suite Vollard zitiert Picasso immer wieder das eigene skulpturale Schaffen der dreißiger Jahre. Mit Marie-Thérèse Walter ist Ende der zwanziger Jahre eine neue Muse in sein Leben getreten. Er verewigt sie in zahlreichen Kopfbüsten.

PICASSO JONGLIERT IN DER SUITE VOLLARD, DEREN ENTSTEHUNGSPROZESS SICH ÜBER NEUN JAHRE ZIEHT, MIT VERSCHIEDENEN STILEN. SURREALISTISCHE FORMVERWANDLUNGEN PAAREN SICH MIT EINER KLASSIZISTISCH INSPIRIERTEN WELT, IN DEREN MITTELPUNKT GESTALTEN IN ANTIKISCHER NACKTHEIT STEHEN.

In einigen Blättern umkreist Picasso die Gestalt Rembrandts, den er nach eigenem Bekunden für den historisch unerreichten Großmeister der Grafik hält. Seit Ende der zwanziger Jahre hat sich Picasso das mythologische Mischwesen des Minotaurus zum eigenen Wappentier erkoren. Halb Mensch, halb Stier verkörpert der Minotaurus mustergültig verschiedene Facetten seiner Persönlichkeit.

Das Kunstmuseum Pablo Picasso Münster konnte 2002 eine komplette Suite Vollard auf dem internationalen Kunstmarkt erwerben. Mit dieser grafischen Folge kann das Museum die verschiedenen stilistischen Impulse im Schaffen Picassos in den dreißiger Jahren dokumentieren.

FRANÇOISE GILOT

DIE 1940ER JAHRE – DIE ZEIT MIT FRANÇOISE GILOT
PICASSOS „LITHOGRAFISCHES FIEBER“ – DIE PÉRIODE FRANÇOISE

Erst im Winter 1945/46 entdeckt Picasso die Lithografie als Drucktechnik für sich und seine Kunst. Er ist damals also bereits 54 Jahre alt. Nur sporadisch und vereinzelt hatte er bis dahin Werke in dieser Technik geschaffen. In der Pariser Druckerei von Fernand Mourlot unweit des Gare de l‘Est experimentiert Picasso ab November 1945 mit den Ausdrucksmöglichkeiten des Steindrucks. Es entstehen in schnellem Rhythmus umfangreiche Werkfolgen. Picassos Umgang mit der Technik ist undogmatisch und äußerst individuell, sodass sein Drucker bemerkt, dass jemand, der so arbeitet wie Picasso, als Lehrling wohl nie eine Anstellung finden würde.

Neben dem Steindruck lotet Picasso auch die Möglichkeiten der Zinkographie aus, bei der eine Zinkplatte als Druckträger Verwendung findet. Im Gegensatz zu den schweren Lithosteinen ist diese leichter zu handhaben, insbesondere wenn es sich um größere Formate handelt. Im besetzten Paris hatte Picasso die junge Studentin Françoise Gilot kennengelernt. Sie hat selbst künstlerische Ambitionen und wird Picassos Muse.

ALS EINER DER WENIGEN KÜNSTLER HATTE PICASSO IN OFFENER OPPOSITION ZU DEN NATIONALSOZIALISTEN DIE JAHRE DER BESATZUNG IN PARIS VERBRACHT. DIE EUPHORIE DER „LIBÉRATION“ PAART SICH NUN MIT PRIVATEM GLÜCK UND EIN NEUER SCHÖPFERISCHER IMPULS DURCHZIEHT SEIN WERK.

In immer neuen Variationen und Werkfolgen umkreist Picasso die Physiognomie seiner jungen Muse. Sein Drucker Mourlot spricht vom „lithografischen Fieber“, das den Spanier befallen habe. Als Picasso seinen Lebensmittelpunkt von Paris an die Côte d’Azur verlegt, flacht die lithografische Fieberkurve erkennbar ab. Bis in das Jahr 1968 entstehen noch weitere Werke in dieser Drucktechnik, doch der Schaffensrhythmus verlangsamt sich merklich.

DIE GESCHICHTE DER SAMMLUNG: DIE SAMMLUNG HUIZINGA

Pablo Picasso hat Deutschland nie bereist. Der Standort Münster für das einzige deutsche Picasso-Museum steht in keinem Zusammenhang zur Biografie des spanischen Künstlers. Das Museum verdankt vielmehr seine Existenz der Sammelleidenschaft eines einzelnen: Gert Huizinga. Er hatte an der Landeskunstschule in Hamburg zeitgleich mit Günter Grass und Paul Wunderlich studiert und schon früh seine Leidenschaft für die Grafik Picassos entdeckt. Nach seiner künstlerischen Ausbildung ließ er sich als Werbegrafiker in seinem Heimatort Lengerich nieder und erwarb Anfang der 50er Jahre sein erstes Werk von Picasso.
Huizingas Bekanntschaft mit Picassos einstiger Lebensgefährtin Marie-Thérèse Walter führte dazu, dass er sich fortan auf das Sammeln von Picasso-Lithografien konzentrierte. Durch die Begegnung und spätere Freundschaft mit Picassos Drucker Fernand Mourlot in Paris konnte Gert Huizinga in den 70er Jahren weitere Werke, insbesondere sehr seltene Zustandsdrucke, für seine Sammlung gewinnen.

Mit dem beständigen Wachsen der Kollektion reifte beim Sammlerehepaar Jutta und Gert Huizinga der Gedanke, sich von ihrem Kunstschatz zu trennen, um ihn einer breiten Öffentlichkeit zugänglich zu machen. So brachten sie im Mai 1997 ihre Sammlung in eine neu gegründete Stiftung ein. Finanziell ausgestattet wurde die Stiftung durch die institutionellen Stifter: die Sparkassen in Westfalen-Lippe, die Westdeutsche Landesbank Girozentrale und die Westfälischen Provinzial-Versicherungen.

DIE RUND 800 WERKE ZÄHLENDE SAMMLUNG HUIZINGA IST DIE WELTWEIT 
VOLLSTÄNDIGSTE KOLLEKTION DER LITHOGRAFIEN PICASSOS.

JACQUELINE ROQUE

DIE 1950ER UND 60ER JAHRE – DIE ZEIT MIT JACQUELINE ROQUE
PICASSOS SPÄTWERK UND DIE PÉRIODE JACQUELINE

Mit Jacqueline Roque tritt in den fünfziger Jahren eine neue Frau in Picassos Leben. Der Spanier lernt sie in der Töpferei Madoura in Vallauris kennen, wo er Keramiken schafft. Beide heiraten am 2. März 1961. Picasso inthronisiert die neue Muse sogleich in seiner Kunst. Für Jaqueline wählt er vor allem die Profilansicht. Aufgrund ihres südländischen Aussehens verleiht er ihr den Spitznamen „die Spanierin.“

1954 wird Picasso, der ein begeisterter Anhänger des Stierkampfs ist, gebeten, ein Plakat für eine in Vallauris stattfindende Corrida zu schaffen. Dieser Umstand bietet ihm Gelegenheit, sich mit der für ihn neuen Drucktechnik des Linolschnitts zu beschäftigen. Er gestaltet für diesen Anlass mit dem Hohleisen in markanten Linienzügen ein auf Weitsicht angelegtes Plakat in schwarz-weiss. In schneller Folge entstehen weitere Werke im Medium des Linolschnitts. Picasso experimentiert in den Folgejahren insbesondere mit farbig reich orchestrierten Werken. Sein Umgang mit der Technik ist wie so oft äußerst unkonventionell. So verwendet er beispielsweise für feinste Schraffuren des Linoleums Nägel oder Pferdebürsten. Mit Hidalgo Arnéra kann Picasso in Vallauris auf einen im Linolschnitt sehr versierten Drucker zurückgreifen. Gegen 1961/62 verlangsamt sich der schnelle, schöpferische Rhythmus, in dem Picasso mit dem Drucker Arnéra zusammenarbeitet. Nur noch sporadisch entstehen Linolschnitte in seinem späteren Werk. Pablo Picasso gilt als der Künstler, der den Linolschnitt zu einer anderen Verfahren ebenbürtigen künstlerischen Drucktechnik gemacht hat.

Mit seinen über 100 Linolschnitten Pablo Picassos, die das Kunstmuseum Pablo Picasso im Jahr 2012 als Dauerleihgabe der Sparkasse Münsterland Ost erhalten hat, verfügt das Haus über die umfangreichste Sammlung dieser Art in Deutschland.

Vita

Pablo Picasso

 

1881Am 25. Oktober wird Pablo Ruiz Picasso in Málaga, Spanien, geboren. Sein Vater José Ruiz ist Maler und Professor an der Kunstschule in Málaga.
1892Beginn der künstlerischen Ausbildung Pablo Picassos.
1897Picasso nimmt das Studium an der Academia de San Fernando auf.
1899Die erste grafische Arbeit Picassos entsteht. Der Spanier hat der druckbedingten Seitenumkehrung nicht Rechnung getragen und nennt die Radierung deshalb Der Linkshänder (El Zurdo).
1904Pablo Picasso lässt sich auf seiner vierten Parisreise dauerhaft dort nieder und bezieht ein Atelier im „Bateau-Lavoir“.
1907Bekanntschaft mit Georges Braque, mit dem er den Kubismus entwickelt. Arbeit am Gemälde Les Demoiselles d‘Avignon.
1918Picasso heiratet Olga Koklova, Tänzerin eines russischen Ballettensembles.
1921Geburt des Sohnes Paolo.
1925Teilnahme an der ersten Surrealisten-Ausstellung in Paris.
1927Picasso lernt die junge Marie-Thérèse Walter kennen.
1930Radierungen zu den Metamorphosen des Ovid.
1935Trennung von Olga, Geburt der Tochter Maya aus der Verbindung mit Marie-Thérèse Walter. Als grafisches Hauptwerk der 30er-Jahre entsteht die Radierung Minotauromachie.
1936Bekanntschaft mit Dora Maar.
1937

Die Suite Vollard, eine Folge von hundert Radierungen, die thematisch das Künstlertum und die antike Bildwelt umkreisen, wird vom gleichnamigen Kunsthändler verlegt. Picasso schafft das monumentale Wandgemälde

Guernica für den spanischen Pavillon der Weltausstellung.

1943Picasso lernt im Mai Françoise Gilot kennen, die zum bevorzugten Modell in seinen Lithografien wird.
1945Der Künstler sucht im November das Atelier des Druckers Fernand Mourlot auf und beginnt sich intensiv mit der künstlerischen Technik der Lithografie auseinander zu setzen.
1947In der Töpferei Madura schafft Picasso in Vallauris erste Keramiken. Geburt des Sohnes Claude.
1948Picasso lässt sich an der Côte d‘Azur nieder und bezieht die Villa „La Galloise“ in Vallauris.
1949Die Lithografie Die Taube entsteht und findet als Plakatmotiv für den internationalen Friedenskongress in Paris Verwendung. Geburt der Tochter Paloma.
1953Trennung von Françoise Gilot.
1955Mit den Frauen von Algier nach E. Delacroix eröffnet Picasso eine Reihe von Variationen nach Werken berühmter Künstlerkollegen.
1956In der Druckerei Arnéra in Vallauris entstehen erste Linolschnitte Picassos.
1957Beginn des Illustrationszyklus zur Tauromachia, einem Lehrbuch des Stierkampfs aus dem späten 18. Jahrhundert.
1958Kauf des Schlosses in Vauvenargues unweit von Aix-en-Provence.
1961Hochzeit mit Jacqueline Roque, die seit der Trennung von Françoise Gilot seine Lebensgefährtin ist. Übersiedlung nach Mougins in das Haus „Notre-Dame-de-Vie“.
1968In weniger als sieben Monaten schafft Picasso die Folge der 347 grafischen Blätter.
1970Beginn der Arbeiten an der Folge der 156 grafischen Blätter. Diese wird erst nach Picassos Tod veröffentlicht.
1973Pablo Picasso stirbt am 8. April in seiner Villa in Mougins. Er wird am 10. April im Garten seines Schlosses in Vauvenargues beigesetzt.

 

 

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